
Eine kurze Überlegung zum Mut
Mut ist vielleicht mehr als nur ein Wort. Manchmal ist Mut, sich darauf zu verlassen, dass etwas kommen wird, was noch gar nicht da ist. Dass sich etwas verändern wird, von dem man noch gar nicht wusste, dass es verändert werden kann. Mutig ist der, der das wagt zu tun, was seine Routinen durchbricht. Festgefahrene Muster im Alltag mit kleinen Dingen zu schmücken, Dinge, die unbequem erscheinen.
Nicht, weil sie unbequem und falsch sind, sondern weil sie neu sind. Doch genau dafür sind sie eine Bereicherung, sie öffnen neue Wege.
Wege, die zunächst dunkel und ungewiss erscheinen, können einen zu einem leuchtenden Ziel verleiten. Mutig muss man sein, um diese Wege trotz aller Ungewissheit zu beschreiten.
Jeder trägt einen Rucksack voll an Erfahrungen, manchmal ist nicht mehr als dieser Rucksack der Begleiter auf diesen Wegen. Die Erfahrungen dienen als Werkzeug, welche man gut gebrauchen kann, wenn der Pfad dicht bewachsen ist, mit Unkraut und stacheligem Gebüsch.
Es ist gut, immer ein kleines Licht im Rucksack zu tragen. Es muss nicht immer leuchten, es ist gut, wenn es dann leuchtet, wenn die Sterne am Himmel von den Wolken verdeckt werden. Die Ungewissheit dieses Weges, lässt es nämlich immer Nacht sein. Es können Schauer aufziehen, der Mond und die Sterne beleuchten den Weg nicht mehr ausreichend.
Dieses kleine Licht, das man mit sich trägt, kann einem dann zeigen, wo man abbiegen muss, sodass man sich nicht verirrt.
Manchmal gibt es Kreuzungen an den Wegen. Ob nach links, rechts, geradeaus oder zurück. Wenn man zurück will, dann sucht man vermutlich Ruhe.
Die kann man sich nehmen, es ist schließlich ungewiss, wie lange man noch gehen muss. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass im „zurück“ nicht mehr das ist, was man kennt. Man selber hat sich unterwegs verändert, vielleicht auch ohne es zu merken.
Und das, was mal war, war, weil es nicht mehr ist.
Hat man sich ausgeruht, sollte man wieder weiter gehen. Vermutlich sind die Wolken am Himmel bereits weitergezogen, die Sterne und der Mond beleuchten den wackeligen Boden wieder, auf dem man sich befindet.
Ausgeruht stehen zu bleiben, macht keinen Sinn, sonst war das Ausruhen ja gar nicht notwendig. Die Kräfte, die man nun gesammelt hat, soll man wieder aufbrauchen. Sonst merkt man ja gar nicht mehr, dass man die Kräfte hat.
Ob man nach rechts, links oder geradeaus geht, ist zunächst nicht wichtig. Es ist wichtig, dass man die neuen Wege mit neuen Kräften beschreitet. Kräfte, die man auf den vorherigen gesammelt hat.
Und ohne es zu merken, hat man bereits was neues im Rucksack der Erfahrungen.
Mutig ist der, der sein Herz nicht auf den Wegen liegen lässt.
Manchmal übersieht man nämlich ein Gestrüpp, manchmal fällt man zu Boden und schlägt sich das Knie auf. Oder schürft sich die Hände auf, das kann weh tun. Man kann wütend sein, auf sich selbst, weil man das Gestrüpp nicht gesehen hat. Oder man ist wütend auf das Gestrüpp, weil es einem im Weg stand.
Da weder das Gestrüpp, noch man selber, wusste, dass man sich gegenseitig im Weg stehen wird, ist es irrelevant, wer nun die Schuld trägt. Wichtig ist, dass man sich gegenseitig verzeiht. Es ist nämlich absurd, wenn man aus Wut oder Hass das Gestrüpp entwurzelt. Genau so wie es absurd ist, dass das Gestrüpp einem ein Bein stellt.
Wichtig ist, dass man aufsteht, sein Knie versorgt und das nächste Mal die Augen aufsperrt. Gut ist, wenn man dann sieht, warum man nicht richtig gesehen hat.
Dann fällt einem auf, dass das Gestrüpp kaum Blätter trägt. Es dürstet nämlich nach Wasser und welkt vor sich hin. In jedem guten Rucksack an Erfahrungen befindet sich auch eine Flasche Wasser. Jeder muss was trinken, jeder besteht aus Wasser.
Dann ist es gut, wenn man das Gestrüpp, bevor man weiterzieht, gießt. So kann sich das Gestrüpp ebenfalls bis zum nächsten Regen regenerieren. Dann zieht man weiter.
Vielleicht merkt man, dass der dunkle Weg, den man selber beschritten hat, nun auch für andere zu gehen ist. Er ist nun nämlich nicht mehr so dunkel und wild bewachsen.
Zuvor Welkendes ist erblüht in prächtigen Farben. Die Stellen, an denen man selber gefallen ist, sind nun Orte, die Nachfolgende zum Ruhen nutzen. Weil es so schön ist, die Blüten der Büsche haben nämlich auch einen Lebensraum für Glühwürmchen geschaffen. Und genau die Glühwürmchen leuchten, wenn die Sterne von Wolken bedeckt sind.
Mutig ist es, gegangen zu sein. Und mutig ist es auch zu gehen. Mutig ist es sich auszuruhen.
Und vor allem ist es dann mutig, es anderen leichter zu machen, wenn es für einen selber schwer war. Irgendwann stehen die Nachfolgenden nämlich auch vor einer Kreuzung.
Und dann gehen sie in eine andere Richtung, als man selbst.
Dann war es gut, dass sich derjenige an deinem erleuchtenden Weg ausruhen konnte, bevor es weiter in die Ungewissheit ging.
Auch wenn man es vorher nicht wusste, man selbst ist verändert. Der Weg ist verändert. Der nächste, der den Weg entlang gegangen ist, ist verändert. Und was als nächstes geschieht, ist ebenfalls ungewiss. Irgendwas wird anders sein.
Das Ziel ist es, mit seinem kleinen Rucksack loszuziehen und mutig ist es, ganze Wege zu verändern. Es ist nämlich die Reise, die den Wanderer zum Ziel bringt.
Text und Zeichnungen: Alla Afanasev