Der Spuk der verlassenen Kirche

Der Spuk der verlassenen Kirche

Die Mitternachtsstunde wird von den großen, schweren Glocken angekündigt, die in der Ferne zu hören sind. Starker Wind pfeift durch die sich windenden Bäume und der Regen findet sich auf meinen Klamotten wieder. Bereits seit Stunden irre ich durch den Wald – renne vor etwas davon, das ich noch nicht einmal sehen konnte. Ein grelles Licht schnellt über den Himmel und eine Gänsehaut zieht sich über meinen erschöpften Körper, der mich durch den Sturm und das laute Donnern trägt. Plötzlich erkenne ich ein Flackern, etwa 100 Meter entfernt. Was ist das? Ein Licht? Mit schnellen Schritten bahne ich mir einen Weg dort hin, achte darauf, nicht über einen zu Boden gefallenen Ast zu stolpern oder an einem Strauch hängen zu bleiben. Im Hintergrund höre ich eine Eule schreien und das Rascheln der Bäume, doch lenkt sich meine Aufmerksamkeit auf das große, mächtige Tor des Friedhofs. Nach einem kurzen Weg über den vom Regen aufgeweichten Boden, komme ich bei einer Hölzernen Tür an, die mir den Eingang in die Kirche deutet. Wärme macht sich in mir breit und ich spüre, wie die Anspannung von mir abfällt, als sich die schwere Tür öffnen lässt. Mit langsamen, hallenden Schritten betrete ich die leer stehende Kirche, halte jedoch inne, als sich die Tür hinter mir mit einem lauten Schlag schließt. Gleichzeitig merke ich, wie das Flackern erlischt und das Feuer – die einzige Lichtquelle – verweht ist. Anfangs unbeirrt gehe ich langsam durch den kalten Gang der Kirche, neben mir ziehen sich die Bänke, in denen vor Jahren noch Menschen ihre Gebete abgelegt haben. Leises Gelächter ist zu hören und neben mir huscht etwas schwarzes vorbei – ein Schatten. Als ich mich danach umdrehe, sehe ich nichts. Stattdessen ertönt ein leises quietschen und schwach erkenne ich den Lichtspender, der von der Decke hängt und nun zu Schwingen begonnen hat. Augenblicklich bildet sich auf meinem Körper eine Gänsehaut und ich spanne mich ungewollt an. Was passiert hier? Sind das alles Zufälle? Plötzlich einsetzendes Rascheln und hektische Geräusche bringen mich schließlich dazu, mich durch die Kirche, zurück zur Eingangstür zu bewegen. Doch lässt sich diese nicht öffnen. Mein Puls beginnt zu rasen und auch mein Atem wird unkontrolliert. Panik breitet sich aus und ich drücke mich ängstlich mit dem Rücken gegen die alte, hölzerne Tür, um den vielen Geräuschen und dieser Kirche zu entfliehen.
Dann aber wird es ruhig um mich. Das Rascheln und die hektischen Geräusche verstummen und einzig mein schneller Atem ist noch zu hören. Erst, als etwas von draußen gegen die schwere Tür hämmert, schrecke ich zurück und ein erstickter Schrei ist zu hören. Was war das? Wer ist da draußen? Vielleicht jemand, der ebenfalls Hilfe braucht? Oder aber es ist das, was mich verfolgt. Mit weiten Augen und deutlichem Schrecken in den Knochen zucke ich zusammen, als erneut ein Klopfen zu hören ist. Nein, das klingt nicht nach jemandem, der Hilfe braucht. Ohne darüber nachzudenken, renne ich schnell von der Tür in die direkt mit eingebaute Kapelle und verstecke mich zitternd zwischen zwei Bänken, während mein Kopf hervorlugt und ich gebannt auf die Tür starre. Was befindet sich dahinter? Wer jagt mich durch den Wald? Eine Antwort bekomme ich nicht. Stattdessen herrscht erneute Stille und nur das heulen des Windes ist im Hintergrund zu hören. Vorsichtig erhebe ich mich, darauf bedacht, keine Geräusche von mir zu geben. Mit kleinen, zögernden Schritten gehe ich wieder zurück zu der Tür, die plötzlich ohne Vorwarnung mit einem Knarzen aufschwingt. Automatisch springe ich ein paar Zentimeter zurück und ziehe mich etwas zusammen, um mich vor einem möglichen Angriff zu schützen. Doch kommt nichts. Niemand betritt die Kirche. Der Gang bleibt genau so leer, wie zuvor. Mit hämmerndem Puls wage ich vorsichtige Schritte nach vorne, taste mich an den Bänken zurück zur Tür. Was ich dort sehe, beunruhigt mich. Nichts. Niemand. Kein Mensch und kein Tier.
Bilde ich mir das alles nur ein? Erlaubt sich jemand einen Spaß mit mir und ich spiele, wie eine an Fäden hängende Puppe, mit? Verängstigt schüttle ich meinen Kopf, nehme dann jedoch meinen ganzen Mut zusammen und meine Beine in die Hände. Schnell, ohne zurückzusehen, renne ich nach vorne, überquere den Eingangsbereich, stürme die Treppen nach unten und über den matschigen Boden, in dem ich teilweise versinke. Mein Ziel? Weg von hier. Durch das große, eiserne Tor des Friedhofs, durch das ich zuvor eingetreten bin. Meine Augen beginnen durch die Angst und den aufkommenden Wind zu tränen und meine Sicht beginnt, sich zu verringern. Ruhig bleiben. Gleich habe ich es geschafft. Vielleicht noch zehn Meter. Acht. Vier. Wumms. Die Eisentür, durch die ich gerade rennen wollte, fällt von selbst zu, lässt sich auch beim stärksten Ziehen nicht öffnen. Ich bin gefangen. Niemand ist hier und doch hält mich jemand fest – will nicht, dass ich entkomme. Wieder kommt Panik in mir auf und mein Puls beginnt wieder zu rasen. Das muss aufhören. Wer auch immer mich versucht festzuhalten – bitte, lass mich gehen. Als hätte ich meine Gedanken laut ausgesprochen, höre ich plötzlich langsame Schritte auf mich zukommen. Schwere Schritte, die im Schlamm versinken, den der Regen verursacht hat. Mit Zitternden Händen und tränenden Augen drehe ich mich langsam zu dem um, dass mich bereits seit Stunden verfolgt. Große, leuchtende Augen starren mich an, als würden sie in meine Seele sehen können. „Was-“, mehr bekomme ich nicht raus. Meine Stimme versagt und spitze Zähne rasen auf mich zu. Jetzt ist es so weit. Ich werde schmerzen spüren, sterben und im Magen eines Monsters landen. Niemand würde wissen, wie ich gestorben bin. Würde man sich an mich erinnern?
All diese Gedanken ziehen sich durch meinen Kopf, während ich laut schreie, um dem zu entkommen, dass mich all die Stunden gejagt hat. Meine geschlossenen Augen öffne ich und sehe – mein Zimmer. Mein Schreibtischstuhl, mein Tisch, meine Schulsachen, die überall auf meinem Bett verteilt liegen und mein Laptop, auf dem gerade im Hintergrund meine Musik zum lernen liegt. Verwirrt sehe ich mich um. Wo ist der Wald, die Kirche – das Monster? All das war nur ein Traum?

Girg, Lena (F12S2)

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