Mit Kopfhörern im Nebel

Mit Kopfhörern im Nebel

Es war ein nebliger Tag. Die Art von Nebel, bei dem einem die Kälte unter die Kleidung kriecht und jeder Atemzug wie ein Dampfstoß aus einer monströsen Maschine wirkt. Es war die Art von Nebel, die so undurchschaubar war wie das Pokerface eines professionellen Spielers. Und durch diesen Nebel lenkte ich meine Schritte den altbekannten Weg zur Bushaltestelle. Die Musik aus den Kopfhörern streifte durch mein Bewusstsein, ohne dass ich wirklich hinhörte. Jedes der Musikstücke hätte ich auswendig mitsingen können. Dieselbe Straße, die ich jeden Morgen ging, dröhnte von meinen Schritten durch den Nebel. Zwar konnte ich ihn durch die wabernden Schleier nicht sehen, aber ich wusste, dass mein Zielort vor mir lag. Dann würde ich im Nebel stehen bleiben, während mir die Kälte den Körper umklammerte. Bis der Bus kam. Langsam manifestierten sich unscharfe, verschwommene, dann immer schärfere und klarere Umrisse vor mir.

Ich war an der Bushaltestelle angekommen. Langsam kam auch der Umriss der Person in mein Gesichtsfeld, die wort- und bewegungslos neben dem eisernen Bushaltestellenschild stand. Sie drehte sich zu meiner Erleichterung weder zu mir um, noch zeigte die Person irgendein Anzeichen, dass sie mich bemerkt hatte.  Aus einer altbekannten Routine stellte ich mich mit ein paar Schritten Abstand neben sie.  Die Kopfhörer behielt ich im Ohr, auch wenn ich der Musik nicht zuhörte, sie nur am Rande wahrnahm. Denn sollte ich die Melodien in meinem Kopf zu meinem Handy in die Tasche verbannen, dann wusste ich, fürchtete ich, dass die durch den Nebel hallende, drückende Stille mich um den Verstand bringen würde. Wenn es eine Sache gab, bei der mir vor Furcht das Herz im Gleichtakt mit meinen unruhigen Fingern klopfte, die fast schon apathisch auf das Handydisplay hämmerten, dann war es die Stille. Ich verabscheute die Stille. Endlich, nach für mich unendlich scheinender Zeit kam der Bus. Jetzt konnte ich die Kopfhörer gefahrlos herausnehmen und da hörte ich es… Die Person, die neben mir gestanden und gewartet hatte, hatte die ganze Zeit gesummt. Es war eine Melodie, wie ich sie noch nie gehört hatte. Sie wärmte mich von innen heraus und schien direkt in meinem Herzen ein Eis zu schmelzen, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es ein Teil von mir war. Erst das ungeduldige Hupen des Busses befreite mich von der fesselnden Magie ihrer Musik. Der Busfahrer des sonnenblumengelben Busses hatte natürlich auch einen Terminplan und musste seine Route abfahren. Schweren Herzens, wie ich es noch nie gewesen war, stieg ich in den Bus und während sich die Türen schlossen, warf ich einen letzten wehmütigen Blick zurück auf die Bushaltestelle und in das lächelnde Gesicht der Person, deren Melodie den kalten Nebel in meiner Seele vertrieben hatte. Es war ein schöner Tag.

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